Ethik für Fahrsysteme
Laut einer aktuellen Umfrage haben 40 % der Befragten in Deutschland Vorbehalte gegen autonomes Fahren. Dabei wurde im Februar der Gesetzesentwurf vom Bundeskabinett verabschiedet. Und auch der Bundesrat gab seine Zustimmung. Nun soll es ins Detail gehen, damit Deutschland eine Vorreiterstellung in der Frage um Mobilität 4.0 bleibt.
Fahrcomputer und Ethik
Als weltweit erste Ethik-Richtlinie für Fahrcomputer gilt, was eine vom Verkehrsministerium eingesetzte Ethik-Kommission erarbeitet hat. Die dabei verfassten 20 Leitlinien sollen für das automatisierte und vernetzte Fahren gelten. Dabei lassen sich drei größere Kernthemen zusammenfassen.
Voraussetzungen und Bedingungen
Eines der Kernthemen ist, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen ein automatisiertes Fahren überhaupt erfolgen darf. So heißt es in dem ersten Leitsatz direkt: Das automatisierte und vernetzte Fahren ist ethisch geboten, wenn die Systeme weniger Unfälle verursachen als menschliche Fahrer (positive Risikobilanz).
Der Hauptzweck soll der Unfallvermeidung und -verringerung dienen und somit der der Verbesserung der Sicherheit aller Beteiligten im Straßenverkehr.
Dabei soll jedoch in jeder Fahrsituation klar geregelt und erkennbar sein, ob in der konkreten Fahrsituation Mensch oder Computer die Verantwortung tragen. Dies ist – unter anderem aus Haftungsgründen – nachvollziehbar zu dokumentieren und speichern. Lenkt der Computer, so verschiebt sich die Verantwortung vom Fahrer auf die Hersteller und Betreiber der technischen Systeme. Hier sollen klare Haftungsregelungen getroffen werden. Wenn die gleichen Grundsätze wie in der übrigen Produkthaftung gelten, wären Hersteller oder Betreiber verpflichtet, ihre Systeme fortlaufend zu optimieren.
Von einer gesetzlichen Nutzungspflicht automatisierter Fahrsysteme nimmt die Kommission Abstand. Umgekehrt ist eine gesetzlich auferlegte Pflicht zur Nutzung vollautomatisierter Verkehrssysteme oder die Herbeiführung einer praktischen Unentrinnbarkeit ethisch bedenklich, wenn damit die Unterwerfung unter technische Imperative verbunden ist (Verbot der Degradierung des Subjekts zum bloßen Netzwerkelement).
Höchste Priorität: Schutz des Lebens
Als zentrales Kernthema und allem voran steht der Schutz des Lebens. In dem Beitrag der Bundesregierung heißt es dazu: Grundsatz ist und bleibt auch hier: Ein Sachschaden ist einem Personenschaden immer vorzuziehen und jede Qualifizierung von Menschen nach persönlichen Merkmalen – etwa nach Alter oder Geschlecht – ist nicht zulässig.
Dabei genießt der Schutz von Menschen Vorrang vor allen anderen Nützlichkeitserwägungen. Der ehemaligen Bundesverfassungsrichter und Leiter der Kommission Prof. Dr. Dr. Di Fabio äußert sich dazu: Die Einführung automatisierter Fahrsysteme verlangt Leitlinien für den Einsatz von Autopiloten. Automatisierte Fahrsysteme müssen sich in eine Rechtsordnung einfügen, die den Menschen in seiner körperlichen Integrität und als selbstbestimmte Persönlichkeit in den Mittelpunkt stellt.
In unausweichlichen Unfallsituationen ist neben jedweder Qualifizierung von Menschen nach persönlichen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, körperlicher oder geistiger Konstitution unzulässig, ebenso wie eine Aufrechnung der möglichen Opfer. Eine allgemeine Programmierung auf eine Minderung der Zahl von Personenschäden könne jedoch vertretbar sein.
Grundsätzliches Ziel ist, dass die automatisierte und vernetzte Technik Unfälle weitestgehend vermeidet und die Verkehrssicherheit steigert, so dass kritische Situationen gar nicht erst entstehen. Mit einem defensiven und vorausschauenden Fahrstil sollen insbesondere schwächere Verkehrsteilnehmer (Vulnerable Road Users
) geschützt werden.
Datenschutz
Unter anderem aus Haftungsgründen soll beim automatisierten Fahren nachvollziehbar dokumentiert und gespeichert werden, wer gefahren ist. Das vernetzte Fahren setzt einen Datenaustausch der Fahrzeuge unter einander und mit einer vernetzten Infrastruktur voraus. Doch was passiert mit den Daten?
Zum Kernthema Datenschutz heißt es: Der Fahrer oder die Fahrerin muss grundsätzlich selbst über Weitergabe und Verwendung seiner Fahrzeugdaten entscheiden können (Datensouveränität).
Der jeweilige Fahrzeughalter oder Fahrzeugnutzer soll grundsätzlich über Weitergabe und Verwendung der anfallenden Fahrzeugdaten entscheiden können. Dies setzt jedoch zunächst voraus, dass ernsthafte Alternativen bestehen und die Entscheidung, welche Daten weitergegeben werden, auch unkompliziert handhabbar ist. Einer normativen Kraft des Faktischen, wie sie etwa beim Datenzugriff durch die Betreiber von Suchmaschinen oder sozialen Netzwerken vorherrscht, sollte frühzeitig entgegengewirkt werden.
Bundesregierung beschließt Maßnahmen
Die Bundesregierung hat den Ergebnissen der Ethik-Kommission vollumfänglich zugestimmt. Diese sollen die Grundlage für die weitere Entwicklung auf dem Gebiet des automatisierten Fahrens bilden. Zu den beschlossenen Maßnahmen gehören unter anderem:
- Das Straßenverkehrsrecht soll konsequent an den technologischen Fortschritt automatisierter Systeme angepasst werden.
- Zwischen Datenerhebung – vor allem vernetzter Systeme -, Datenschutz und der Gewährleistung informationeller Selbstbestimmung soll ein Ausgleich erfolgen.
- Für eine sichere, grenzüberschreitende Nutzung sollen für automatisierte Systeme internationale Standards bestehen.
- Die in den Ethik-Linien enthaltenen Grundsätze sollen in einem zu entwickelnden, geeigneten Rechtsrahmen verbindlich vorgeschrieben werden.
Fazit
Bis zur tatsächlichen Umsetzung der Leitlinien und damit zum ersten echten
automatisierten Fahren, kann es noch ein weiter Weg sein. Mit einer entsprechenden Regelung werden sicherlich nicht alle Bedenken zerstreut, zumindest jedoch sind sie ein erster Schritt, um mehr Sicherheit im Straßenverkehr zu erreichen.